Lehrer in der Blogosphäre : Tendenzen bei Lehrerblogs

Was ist eigentlich der Sinn von Lehrerblogs und wem nutzen sie?

Eine erste Antwort auf die Frage nach dem Sinn von Lehrerblogs gibt ein Blick auf die Tendenzen bei Lehrerblogs. Schnell sind zwei Tendenzen auszumachen: die einen sind dadurch entstanden, dass Lehrer sich in gewisser Weise in ihrem Alltag mit ihren Fragen und Problemen als sehr einsam und alleingelassen wahrnehmen und empfinden, denn sie haben zunächst keine Möglichkeit, ihre Probleme loszuwerden und haben darüber hinaus Schwierigkeiten, Möglichkeiten der Veränderung – und das in absehbarer Zeit – festzustellen. Da der Lehrer als Mensch aber eine Psyche hat, die er pflegen muss, weil er sich ansonsten sehr schnell der Gefahr ausliefert, sich in einer Burn-Out-Situation wiederzufinden, geht er an die Öffentlichkeit und macht sich vor allem Luft, ermöglicht durch die Anonymität der Blogs.

Die anderen kommen von Lehrern, die scheinbar in einer besser strukturierten Schule beschäftigt sind, „bessere Kollegen“ haben oder einfach, warum auch immer, besser mit ihrer Situation zurecht kommen, die aber nichtsdestotrotz die Gemeinschaft der anderen brauchen und genießen, indem sie ihre Gedanken, ihre Erfolge und Misserfolge teilen oder einfach Gefallen daran haben, Funde wie Arbeitsmaterialien mit Kollegen zu teilen und auszutauschen – dies vor allem mit dem Hintergedanken einer gewissen Arbeitserleichterung.

1.     Anonymität und Emotionalität in den Lehrerblogs

So erzählen auch Individuen über ihre Erfahrung, so wie in http://lehrerblog.jugend-und-bildung.de/: “Lehrer und Gesundheit” von Dirk Kutting (2009)/, wo ein junger Lehrer den Alltag und die alltäglichen Problemen erzählt. Es geht um subjektive Beobachtungen und Empfindungen, die mitgeteilt werden, bei der Gelegenheit mit anderen ausgetauscht werden und mit Büchertipps und Vorschläge bereichert werden. Nur durch die Anonymität ist dies möglich, denn wie sollte man sich über das Verhalten mancher Schüler oder Kollegen – ohne hinterher unangenehme Konsequenzen in Kauf nehmen zu müssen – auslassen? Wenn in einer Schule eine angemessene Streitkultur – auch unter Kollegen – stiefmütterlich behandelt wird oder gar tabuisiert ist, ist es schwierig, auf bestimmtes Verhalten von Kollegen zu reagieren: Man weiß nicht, wie empfindlich der angesprochene Kollege auf die Beschwerde reagiert und welche unvorhersehbare Konsequenzen sich daraus ergeben könnten. Denn immerhin bleibt ein Lehrer meist sein Leben lang in der gleichen Schule und somit täglich mit den gleichen Menschen am Arbeitsplatz. Nur die Schüler wechseln alle paar Jahre.

Aber auch über positive Erlebnisse wird berichtet, wie die Entdeckung anderer Seiten von Schülern und deren bisher so nicht wahrgenommenen Fähigkeiten, die auf einer Klassenfahrt plötzlich auftauchen oder ähnliches, was einem Anfänger im Lehrermetier die Angst vor solchen Ausflügen nehmen könnte. Denn es kursieren genug Horrorgeschichten über den Schulalltag, die, mag sein, hier und da tatsächlich auch geschehen, aber es wird, wie so oft, vergessen, dass der Beruf auch genug positive Seiten vorzuweisen hat.

Zu lesen gibt es außerdem Blogeinträge von Lehrern über deren Erfahrungen in ihrem pädagogischen Alltag und ihrer teilweise kritischen Sicht dessen, was von den meisten Erziehungswissenschaftlern gepriesen wird. So wie unter http://wordpress.blokey.de/, in dem ein junger Lehrer über seine Erlebnisse und Erfolge mit Frontalunterricht berichtet und somit auf keinen Fall den Stationsarbeiten – dem Lieblingskind so mancher moderner Pädagogen – den alleinigen Vorzug gibt, sondern den Wechsel zwischen den verschiedenen Methoden gutheißt.

Die gemeinsamen Themen aller Blogs sind selbstverständlicher Weise die Schule und ihr Alltag, das Pädagogische und die Äußerung der eigenen Meinung. Viele verweisen auf weitere Links: Hilfe für alle, die sich als Kollektiv sehen, ihre Materialien auszutauschen, um somit ein reges Geben und Nehmen anzuregen.

In der „Niemehrschule“, unter der Adresse http://teacher.twoday.net/ zu finden, wird auch über den Alltag in der Schule geredet, ein Hauch mehr Sachlichkeit ist dabei. Diese Seite hat den zweiten Preis bei dem Lehrerblog-Award erhalten, was ich selbst nicht wirklich nachvollziehen kann, denn ich fand diese Seite nicht interessanter als die zuvor genannte. Die Kommentare sind dagegen teilweise sehr emotional geladen und alles andere als sachlich. Teilweise beleidigen sie den Adressaten, was sehr zu bedauern ist.

Schließlich dienen Lehrerblogs auch dazu, dem Unterricht durch präsentierte Möglichkeiten neue Impulse zu geben bzw. mit Schwierigkeiten oder neuen Methoden umgehen zu können. Lehrerblogs bedienen die unterschiedlichsten Bedürfnisse ihrer Leser: Während die einen vermehrt auf der Suche nach neuen Anstößen für ihren Unterricht sind und fündig werden, gibt es auch solche, die vor allem an den stark subjektiv gefärbten Alltagsschilderungen ihrer Kolleginnen und Kollegen interessiert sind.

2.     Pragmatismus in der Lehrer-Blogosphäre: Arbeistmaterialien zu Unterrichtsfächern

Diese wohltuende Tendenz ist bei manchen Lehrerblogs zu finden, unter anderem unter http://www.jochenenglish.de/, wo Beiträge mit sachlichen bzw. fachlichen Inhalten für die Fächer Englisch und Sport in der Schule zu finden sind, z.B. Benotung/Beurteilung, Literatur, Wortschatz/Grammatik, Tipps zum Lernen. Dieser Blog hat den dritten Platz des Lehrerblog-Awards errungen. Ihm hätte ich eher, wegen seiner Sachlichkeit, den zweiten Platz gewünscht.

http://fremdsprachenundneuemedien.blogspot.com/ stellt verschiedene Links und Möglichkeiten im Internet vor, die sowohl für Schüler als auch für Lehrer für die Fächer Französisch, Englisch und Italienisch genutzt werden können. Jürgen Wagner leitet zu weiteren Links, die entweder Informationen enthalten oder aber Materialien zur Verfügung stellen, wie die Seite http://ecole.toussaint.free.fr/lafouine/lafouine.htm, wo Texte auf Französisch gefunden werden können, an deren Ende eine Frage steht, die von den Schülern beantwortet werden solle. So steht am Ende eines kleineren Berichts über einen Raub die spannende Frage: „Wer war der Täter?“ und animiert dadurch zur intensiveren Beschäftigung mit der Lektüre und dient zudem zur Überprüfung des Textverstehen. 46 interaktive Übungen sind ebenfalls dort zu finden, darunter 38 zum Bereich Hörverstehen und vieles mehr wie Landeskunde, Informationen über international anerkannte Prüfungen wie die DELF-Prüfungen für das Fach Französisch, Fachübergreifendes, Gastbeiträge oder auch Didaktik finden ebenfalls ihre Berücksichtigung.

Ohne besondere Fächer anzusprechen, widmet sich die Seite http://www.blog.initiatived21.de den Themen Bewertungen von E-Learning-Möglichkeiten und anderen Aktivitäten wie Schülerzeitungen im Netz, Moodle, Zoho Projects 02. Dort sind allein und einzig die neuen Medien von Relevanz.

Der ersten Platz beim Lehrerblog-Award bekam die Seite http://www.herr-rau.de/: Hier findet man alles mögliche Tauschbare für die Schule. Themen vom Stundenplan bis zu dem Englischunterricht oder etwas Pragmatisches wie die Vorstellung eines Herbariums werden präsentiert. Die Vielfältigkeit macht diese Seite in der Tat sehr attraktiv.

3.     Relevanz für Anfänger im Lehrerberuf und Referendare: Interview mit einem Lehrerblogger

So wie schon eingangs erwähnt, müssen die in Lehrerblogs zu findenden Informationen teilweise aussortiert und in dem Wissen gelesen werden, dass einiges sich sehr im Bereich der Subjektivität bewegt. Allerdings verweisen fast alle Blogs auf andere Seiten und somit kann jeder das finden, was er sucht.

Als ich danach suchte, bei wem und wo ich mich melden zwecks eines Interviews zur Motivlage melden könnte, habe ich zuerst auf der Seite http://wordpress.blokey.de/, den  nachstehenden Kommentar gefunden :

„Auch wenn mir die praktische Erfahrung nahezu vollständig fehlt, bin ich doch überzeugt, dass man als Referendar eine Menge Kreide fressen muss. Dass man sich zurücknehmen muss, ein Vorbild sein muss, auch wenn es schwer fällt, auch in schwierigen Situationen gegenüber Kollegen, Schülern und Eltern beherrscht bleiben muss. Dass man seine Ideale kurz- oder langfristig über den Haufen werfen muss, dass man gezwungen ist, Plänen und Anordnungen zu folgen, die man nicht für sinnvoll erachtet, dass man sich im Spagat zwischen Anspruch und Realität die Beine ausreißt. Kurz: Dass man eine Menge Kreide fressen muss, und das nicht nur an der Tafel. Das ist beileibe kein Ausdruck von Pessimismus, sondern Ausdruck eines Realismus gegenüber dem alltäglichen Ziehen und Zerren in einer demokratischen Gesellschaft.“ („warum „Kreide fressen“? zitiert nach http://wordpress.blokey.de/).

Weiteren Aufschluss zur Motivlage gibt eine zweite Quelle: die Antwort auf eine Mail, die ich Herrn Rau geschickt hatte. Auf die Frage, warum er in seinem Blog schreibt, antwortete der Blogger Herr Rau schon einmal: „Weil’s mir Spaß macht. Weil ich meine Gedanken sammeln und Einblick in ein Lehrerleben geben will.“ (Quelle:http://www.literatenmelu.de/594/interview-mit-thomas-rau/). Mir persönlich schickte er ein interessantes Interview, das er schon dem Verfasser einer Bachelorarbeit gegeben hatte:

1. Inwiefern hat der virtuelle Austausch mit „Kollegen“ bei Ihnen eine
Rolle gespielt, mit dem Bloggen zu beginnen?

Der hat keine Rolle gespielt. Damals kannte ich auch noch keinen einzigen bloggenden Lehrer, ich war einer der ersten.

2. Welche Funktionen übernimmt Ihr Weblog für Sie als Lehrer?
Am wichtigsten: Meine Gedanken festhalten und durch Ausformulierung präzisieren. Dann: Kontakt zu anderen Lehrern. Drittens: Auftreten eines Lehrers in der Öffentlichkeit.

3. Wie wichtig sind für Sie der Austausch und die Vernetzung mit anderen
bloggenden Lehrern?

Wichtig. Nicht das Hauptanliegen des Blogs, aber wichtig. Im Moment sind Lehrer ja noch nicht sehr vernetzt, jeder macht fast alles allein. In anderen Berufen gibt es eine Dachorganisation oder der Arbeitgeber sorgt dafür, dass Ressourcen ausgetauscht werden – bei Lehrern gibt es da noch viel Ausbaumöglichkeiten.

4. Wie wichtig ist es Ihnen, andere (bloggende) Lehrer an Ihrem Wissen
und Ihren Erfahrungen teilhaben zu lassen?

Wichtig. Ich habe viel mehr Ideen, als ich selber durchführen kann, die biete ich gerne anderen an.

5. Wie wichtig ist es Ihnen, vom Wissen und den Erfahrungen anderer
bloggender Lehrer zu profitieren?
Nicht ganz so wichtig. Ich brauche vor allem Methoden zum effektiven Arbeiten und zeitunabhängige Arbeitsmaterialien. Die gibt es, wenn auch noch nicht genug. Aber ich bin noch sehr daran gewöhnt, alles selber zu machen. Wenigstens für die Musterlösungen in einem meiner Abiturfächer gibt es inzwischen eine anerkannte Blog-Anlaufstelle.

Kurz: Ich schreibe, um meine Gedanken festzuhalten und damit zu präzisieren und zu reflektieren, und um mich als Lehrer der Öffentlichkeit zu präsentieren (nicht dass die sehr daran interessiert ist).
Adressat: Eltern, Kollegen, Schüler. Ich schreibe aber nicht nur über die Schule, sondern auch manches Private (aber nicht alles, kaum über meine Familie).
Über Bücher, die ich gelesen habe und interessant finde. Vermutlich will ich auch ein Idealbild von mir erstellen.
Der Kontakt zu Kollegen ist mir wichtig, aber weniger der Austausch von Material.“

4. Fazit: gut verlinktes Netz an Lehrerblogs

So unterschiedlich wie Menschen auch sind, so unterschiedlich sind auch ihre Bedürfnisse. Die einen schreiben aus Lust am Schreiben, andere sind am Austausch von Gedanken interessiert, andere am Austausch von Materialien.

Was man auch sucht – man kann es auch in den Lehrerblogs finden, denn das, was bei einem Blogger nicht vorhanden ist, lässt sich unter einer anderen Adresse finden und da die (meisten)  Blogs über entsprechende Links miteinander verknüpft sind, ist man hier oder dort auf jeden Fall an der richtigen Adresse.

Autorin: Nathalie Schmidt

Links zum Artikel

  • http://lehrerblog.jugend-und-bildung.de/. “Lehrer und Gesundheit” von Dirk Kutting (2009)/ Lehrer im Alltag und die alltäglichen Problemen. Der Alltag und seine Emotionen
  • http://www.blog.initiatived21.de/?p=1943 Lehrerblogs unter der Lupe , Zusammenfassung der Ergebnisse einer Studie welche von Prof. Dr. Gabi Reinmann betreut wurde
  • http://wordpress.blokey.de/. Kreidefressen: Ein junger Lehrer erzählt über seinen Alltag, es geht um subjektive Beobachtungen.
  • http://teacher.twoday.net/. Durch Anekdoten werden allgemeine Problematiken der Schule erläutert. 2.Platz.
  • http://www.jochenenglish.de. Englisch und Sport in der Schule. Beiträge mit sachlichen bzw. fachlichen Inhalten, z.B. Benotung, Literatur, Wortschatz/Grammatik, Tipps zum Lernen
  • http://fremdsprachenundneuemedien.blogspot.com/. Vorstellung verschiedener Links und Möglichkeiten im Internet Fremdsprachen und neue Medien
  • http://www.blog.initiatived21.de/. Bewertungen über E-Learning-Möglichkeiten und andere Aktivitäten wie Schülerzeitungen im Netz. Moodle. Zoho Projects 02. Internet  und virtuelle Welt
  • http://www.herr-rau.de/. Alles mögliche Austauschbare für die Schule. Themen vom Stundenplan bis zu dem Englischunterricht oder etwas Pragmatisches wie die Vorstellung eines Herbariums. 1.Platz.

2 Kommentare zu “Lehrer in der Blogosphäre : Tendenzen bei Lehrerblogs”

  1. Pingback: Bloggende Pädagogen – Hilfe mein Lehrer ist im Internet | Angehende Lehrer basteln sich einen "Blog"

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